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Auf dem Weg nach Hovden. Am Wendepunkt.
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Eigen tlich wären heute drei
Gebiete geplant gewesen. Doch am Ende waren es null, weil man (ich) zu viel wollte! Doch der Reihe nach.
Der Wetterbericht hat nicht gelogen. Und der Pistenbericht von Røldal auch nicht, der wegen starken Sturms die Einstellung des Liftbetriebs für den ganzen Tag verkündete. Røldal wäre das zweite Niseko Norwegens gewesen, die Schneeberge noch höher als in Myrkdalen. Zwar ist es bei der Abfahrt in Ullsvang noch windstill und mit +3.5° auch entsprechend warm, so dass die Fahrt den Sørfjord hinein nach Odda keine Herausforderung darstellt. Kurz nach der Industriestadt aber steigt die Strasse an und entfernt sich vom Meer, so dass die Temperatur rasch herunterkommt und mit ihr der langersehnte Schnee. Endlich wieder Winterfeeling! Bald bekommt die Fahrt durch das Tal durch die von beiden Seiten die Felsen herunter donnernden Wasserfälle etwas Abenteuerliches. Wenn ich gewusst hätte was mich erwartet, ich hätte es als ein relaxtes Cruisen empfunden.
Nach Skare wird’s dann endlich wieder unter Null, das waren rund 72 Stunden Sommer zu viel in den letzten drei Tagen. Der Eindruck wird immer winterlicher, die Schneemauern höher. Endlich haben wir uns wieder gefunden! Kurz vor Røldal führt die Strecke durch einen Tunnel (eine angenehme Innovation der Norweger, welche die Passhöhen oft untertunneln) und als ich wieder rauskomme sehe ich die stehenden Sessellifte von Røldal. Quod erat expectandum. Schade trotzdem.
Kurz nach dem Ort stehen dann auch die Autos. Wie auf http://www.vegvesen.no/
angekündigt wird der Verkehr in Kolonnen abgefertigt: „Kolonnekjøring på grunn av uvær.“ Noch ist alles im grünen Bereich, die nächsten Skigebiete sind machbar. Diese Kolonnengeschichte scheint auch ein wenig übertrieben zu sein, ist es doch mehrheitlich windstill auf dem Warteplatz. Während der knapp 60 minütigen Wartezeit fegen zwar hin und wieder Böen über die länger werdende Schlange, aber bitte, wir haben den Flüela schon anders überquert, und dieser Pass hier ist gerade mal 1091m hoch. Der Strassenchef läuft die Kolonne ab und zählt die Autos (!) und nachdem die beiden Linienbusse eingetroffen sind geht’s los – endlich! Plötzlich haben alle Autos die Warnblinker eingeschaltet. Wohl aus Freude, dass es losgeht, und gerne stimme ich mit ein in diesen Jubel und betätige auch meinen Blinker. So blinkt die ganze Kolonne die ersten Kilometer hinauf fröhlich und wohlgelaunt. Bis nach einem Tunnel ein erster Stillstand durch den LKW zehn Autos vor mir eingeläutet wird: Er muss doch Ketteln. Das kommt ihm natürlich an der steilsten Stelle in den Sinn. Als ich wieder losfahren will rutschts und ich komme nicht vom Fleck. Dabei stehe ich doch inmitten der vermeintlich aperen Strasse und kann sogar die Strassenmarkierung sehen. Durchs Eis. Leichte Panik. Die Norweger aus dem Auto hinter mir sind jedoch rasch helfend zur Stelle, aber ich weiss nicht, ob sie mich an- oder doch eher zur Seite schieben möchten: Am Ende klappt's nicht, die Norweger springen wieder ins Auto und überholen mich. Die Panik wird stärker. Kann ich Regress auf die Autovermietung nehmen, weil sie mir auf meine explizite Nachfrage nach Schneeketten keine mitgegeben hatten sondern lediglich beschieden, dass sie keine Ketten mehr in Mietautos mitgäben, weil die Kunden diese immer falsch angezogen hätten? Ich entscheide mich die Anfahrt selbständig auf einem schneebedeckten Stück Strasse zu versuchen und es funktioniert zu meiner grossen Erleichterung. Liegt es an der Heizung, dass mir so warm ist? Und dann geht es richtig los und meine Vermutung bestätigt sich: Die Warnblinker sind kein Zeichen der Freude. Und der Wagen hinter mir hockt mir auch nicht wegen meines sexy Hinterteils so nahe auf. Der Wind bläst unaufhörlich den Schnee auf die Strasse. Das vordere Auto respektive seine blinkenden Warnlichter sind die Rettung! Diese gilt es nun nicht aus den Augen zu verlieren, was ein ständiger Kampf ist zwischen Gas geben und Abbremsen. Einmal die Lichter verloren macht sich Panik breit: Wo geht die Strasse weiter? Verpasse ich eine Kurve?! Ein Horror die Vorstellung, das Auto in eine Schneewehe zu setzen! Bei schneebedeckten Strassen versuche ich sonst immer einen gewissen Abstand zum Vorderauto zu halten um bremsen oder eben beschleunigen zu können. Und heute möchte ich am liebsten direkt an der Stossstange des Vorderen kleben. Immer wieder verliere ich ihn aus den Augen und die Strasse will und will kein Ende nehmen. Ich komme mir vor wie Amundsen, White Out ohne Ende. In der Streckenmitte steht ein Tunnel, in dem uns ein Konvoi entgegenkommt, aber zu früh gefreut, weiter geht’s durch die Weisse Wüste Telemarks. Es droht der Gedanke, dass dies ein wenig zu viel des guten Winters ist. Ich bekämpfe ihn aber erfolgreich, diesen Gedanken! Und als dann vor einem weiteren Tunnel der Schneepflug auf der Seite steht und ich einen Kameramann und eine Journalistin (Sic!) erblicke atme ich auf. Der Strassenarbeiter zählt die Autos, die an ihm vorbeifahren, und wir fahren im Tunnel an der Kolonne vorbei, die auf ihre Abfahrt nach Røldal und auf ihre Bestimmung wartet. Lykke til! Rund 90 Minuten hat die Reise gedauert bis zum anderen Ende der Welt. Noch nie war Autofahren so anstrengend.
Ziemlich geschafft erreiche ich um 14:15 Uhr Haukelifjell, doch hier laufen nur 2 Lifte. Etwas wenig finde ich. Das nächste Gebiet Hovden liegt etwas windgeschützter, wahrscheinlich laufen dort mehr Lifte und bis 14:45 Uhr sollte ich dort sein. Ich fahre zur Strasse zurück und schliesse hinten wieder auf meine Kolonne auf. Da gibt'ds welche, die sind noch immer im selben Tempo unterwegs wie oben in der weissen Hölle. Lucky men, die haben wohl keine Skigebietspflicht zu erfüllen. Nach Haukeli kann ich endlich abbiegen, die Strasse steigt steil an. Leichte Anspannung macht sich breit aber alles kein Problem, ich komme locker hoch und jubiliere, der Skitag ist gerettet! Aber nur kurz, denn inmitten der schönsten und windstillsten Landschaft Norwegens blinken Warnlichter. Und schliesst eine Barriere die Strasse: „Kolonne“! Es sind rund 20km nach Hovden, im selben Tempo wie vorhin ist das (ohne Wartezeit) noch eine Stunde. Ich möchte ja nur die Lifte dort machen und müsste anschliessend wieder hierhin zurück. Das ist mir zu viel. Also noch einmal zurück nach Haukelifjell? Bis 15.00 Uhr würde ich's wohl schaffen, um 15:30 schliessen die Lifte... Auch wenn mir das Zitat „Nur die Harten kommen in den Garten“ in den Ohren klingelt kapituliere ich und entscheide, dass es gut ist. Und dass mein Streben nach zu viel dazu führte, dass ich keinen Skitag schreibe: Erst wollte ich mehr Winter, dann wollte ich mehr Lifte. Und am Schluss hatte ich keinen Skitag. So ist das Leben. Am Ende bin ich doch mit mir im Reinen und geniesse die letzten 40km nach Rauland durch schönste Winterlandschaften bis ins Hotel. Das hat einen Hotellheiser, deshalb sollte der morgige Skitag sicher sein, auch wenn der Sturm gerade kräftig ums Hotel zieht.
Telemark:
Lifte: 0 Punkte
Adventure: 100 Punkte
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Ullensvang |
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Hat was vom Walensee |
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Wasserfall Låtefossen links, rechts donnert ein anderer über die Strasse. Wie das wohl gefriert, wenn's unter Null ist? |
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Vor Røldal |
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Røldal Skisenter |
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Røldal Senter |
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Kolonnekjøring: Fröhlich blinken die Lichter |
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Damit wir nicht vergessen, wie wir unterwegs sind. |
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Der Schneefall wird heftiger |
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Kolonnekjøring: Nicht mehr ganz so gemütlich |
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